Der Koffer steht gepackt im Flur. Die Pflanzen sind (erst einmal) versorgt. Die Wohnung ist soweit „reisefest“. Und ich habe den Blues. Es ist kein Sonntagsblues, auch wenn das am nächsten liegen würde. Es ist der Blues, der mich vor jeder längeren Reise überkommt.
Ich lebe gern in meiner Wohnung. Sie ist sowas wie ein Anker für mich, einer von vielen. Hierher zurückzukommen tut mir immer wieder gut. Mal erlebe ich das bewußter, nach Wochenendtrips beispielsweise, mal weniger bewußt, wenn ich von der Arbeit zurückkomme.
Hier habe ich meine Wege, kümmere mich um dies und jenes, und auch wenn ich über den Tag (außer am Morgen vielleicht) keinen wirklich festen Rhythmus in dem habe, was ich tue, ist dieser Platz zur Zeit etwas Besonderes für mich – und ich verlasse ihn sehr ungern.
Doch gleich geht es los, erst einmal für eine Woche zu einer Schulung. Entschärfend wirkt, daß es zu meinem Stammschulungshaus gehen wird, daß ich in meinem Stammhotel untergebracht bin. Wiedererkennung: Wege, Menschen, Umfeld – wenigstens nicht völlig fremd.
Nächste Woche um diese Zeit bin ich schon weit weg von meiner Wohnung, voraussichtlich schon innerhalb der Bannmeile von Berlin. Aus welchen Gründen ich mich heute schon damit beschäftige, weiß ich auch nicht, wo es doch noch eine Woche hin ist.
Keine bekannten Wege. Keine bekannten Menschen. Keine bekannten Rhythmen. Alles neu, alles anders, alles fremd. Angst macht es mir nicht, nicht direkt. Respekt habe ich natürlich, doch soweit ich das abschätzen kann, bin ich recht gut vorbereitet.
Bis ich dann vor Ort bin. Es geht nicht mal eben zurück. Wenn im Kopf wieder einmal eine Sicherung durchbrennt, dann werde ich auf mich allein gestellt sein. – Daß ich mir darüber überhaupt Gedanken mache, ist in sich schon wirr genug.
Es ist gut, daß beide Reisen gebucht und bezahlt sind. Noch ein paar triftige Gründe mehr, nicht kurz vorher zu kneifen. Und es sind weitere Chancen mir selbst zu beweisen, daß ich wieder lebensfähig bin, daß ich mit dem Leben wieder zurecht komme. Irgendwie.
Der Koffer steht gepackt im Flur. Ein Blick auf die Uhr macht mir klar, daß ich langsam aber sicher aufbrechen sollte. Alles wird besser sein, sich richtiger anfühlen, wenn ich erst einmal angekommen bin und eingecheckt habe. So ist es bisher immer gewesen.
Ich werde losfahren müssen um herauszufinden, ob es auch dieses Mal so ist. Und ich werde auch kommende Woche losfahren und sehen, ob es sich anders anfühlen, sich anders entwickeln wird. Ich werde losfahren müssen, ich werde loslassen müssen.
Ich bin unterwegs.