Das Haus ist zur Hälfte leergeräumt. Es ist fast schon unheimlich, wie im Halbdunkel selbst Schritte mit Sportschuhen hallen: im Wohnzimmer, in der Küche – überall. Es sind meine Schritte. Allein meine Schritte. Und was ich sehe, ist mein Anteil, ist das, was mir bleibt.
Es ist ein Abend der Erkenntnis, der zweite seiner Art, der zweite dieser Art, um genau zu sein. Drei Monate zuvor hatte es begonnen – oder geendet. Der erste Abend, über den die Einsicht sich mühsam den Weg in den Verstand bahnte, vorbei an all den Barrikaden des Kann-nicht-sein.
An diesem Abend sind da keine Barrikaden, keine Hindernisse. Aber auch kein Halt. Nichts. Niemand. Nur hallende Schritte im Halbdunkel eines zur Hälfte leergeräumten Hauses. Hallende Schritte im freien Fall ins Bodenlose.
Es geht um Respekt, und doch letztlich um gegebene und – weil nicht mehr haltbar – gebrochene Versprechen. Aber auch um ältere Versprechen, die zu halten ich bereit bin. Und es geht um die Einsicht, daß es Zeiten gibt, in denen es nicht zu kämpfen lohnt: keine Gegner, keine Sieger, nur Verlierer.
Ein Teil von mir war bereits vor drei Monaten gestorben, der andere will nun auch nicht mehr. Der Schritt war richtig und wichtig, irgendwo sogar angemessen und fair. Es war nicht meine Entscheidung, warum also hätte ich gehen sollen? Und nun sitze ich auf einem Sofa, das nicht mehr wirklich mir gehört.
Die Leere und Kälte des halbierten Hauses, all seine plötzliche Fremde drängt sich an mich, dringt durch die Kleider und zieht bleischwer durch jede Faser meines Körpers. Erfüllt von unendlicher Müdigkeit denke ich daran, das alles abzukürzen. Erfüllt von der Aussicht auf eine leere Zukunft denke ich daran, ein Teil der in Trümmern liegende Träume und Hoffnungen zu werden.
Und wieder geht es um Respekt, um Rücksicht. Es geht um Gedanken und Gefühle, die ich, wenn ich sie mir selbst vorstelle, niemand anderen geben möchte. Nicht jetzt, nicht hier, nicht unter diesen Umständen. Erst wenn andere gegangen sind, wäre ich frei, diesen Schritt zu gehen. Und es wäre eine Erleichterung, eine Befreiung. Denn da wäre sonst tatsächlich gar nichts mehr, das mich hielte.
Ich funktioniere. Ich werde funktionieren. Wie immer, wenn ringsherum alles im Chaos versinkt. Wie auch damals, als es uns beide fast das Leben gekostet hätte – und ich einfach funktionierte. Klar wie ein Kristall, wenn auch nur für kurze Zeit. Doch ich schaffte es. Wir überlebten. Damals.
Heute? Heute ist beinahe Geschichte, wie die Schritte, die durch das zur Hälfte leere Haus hallen. Irgendwann würde es, mußte es zu einem Ende kommen. Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt für ein Ende, niemals. Warum also nicht heute? Ich werde mich hinlegen und zu schlafen versuchen. Ist da sonst noch etwas? Nein. Nichts, was ich tun könnte. Nichts, was ich hätte tun können.
Das ist also, was bleibt.
Heute? Eine Zeitreise.